Tito: Jugoslawiens Bruch mit Moskau

Tito: Jugoslawiens Bruch mit Moskau
Tito: Jugoslawiens Bruch mit Moskau
 
Nach der Machtübernahme der Kommunisten (KPJ) und der Ausrufung der Republik in Jugoslawien am 29. November 1945 verfolgte der Generalsekretär und Ministerpräsident Tito (bürgerlich Josip Broz) einen im Wesentlichen der Sowjetunion folgenden politischen Kurs. Der Stolz auf die eigenen revolutionären Errungenschaften und der Anspruch, einen den Voraussetzungen des Vielvölkerstaates angemesseneren Weg zum Sozialismus zu verfolgen, lösten 1947 erste Spannungen aus, als Stalin angesichts des beginnenden Ost-West-Konflikts die Anerkennung der Führungsrolle der KPdSU von allen kommunistischen Parteien verlangte.
 
Titos Eingriffe in die albanische Innenpolitik und seine vom bulgarischen KP-Chef Georgi Dimitrow mitgetragene Initiative, eine Föderation der Balkanländer zustandezubringen, veranlassten Stalin, im Januar 1948 die Spitzen der beiden Parteien nach Moskau zu beordern. Da Tito diese Aufforderung nicht befolgte, wurden im März 1948 die sowjetischen Wirtschaftsberater und Militärexperten aus Jugoslawien zurückgezogen.
 
In dem sich anschließenden Briefwechsel zwischen den Parteiführungen trug die KPdSU in immer drohenderem Ton augenscheinlich falsche Beschuldigungen gegen die jugoslawischen Genossen vor, während sich Tito unter Betonung seiner unverbrüchlichen Treue zu den kommunistischen Idealen und der Führungsrolle Stalins bemühte, den Konflikt zu entschärfen.
 
Auf einer am 21. Juni 1948 in Bukarest eröffneten Konferenz des Kominform wurde Jugoslawien aus der kommunistischen Gemeinschaft ausgeschlossen; die KPJ hatte zuvor eine Teilnahme abgelehnt. Gegen die Partei wurden auf der Konferenz schwere Vorwürfe erhoben: Die KPJ habe eine inkorrekte, sich vom Marxismus-Leninismus entfernende Haltung eingenommen, eine der UdSSR und der KPdSU gegenüber unfreundliche Politik verfolgt sowie kapitalistische Zustände und einen kleinbürgerlichen Nationalismus geduldet. Doch nicht so sehr ideologische Meinungsverschiedenheiten, sondern vielmehr Titos Weigerung, sich dem sowjetischen Füh rungsanspruch bedingungslos unterzuordnen, hatten zum Bruch geführt.
 
Alle Versuche der UdSSR und der abhängigen Staaten, Belgrad zu isolieren und durch politischen Druck, militärische Provokationen und einen Wirtschaftsboykott zur Unterwerfung zu zwingen, blieben dank westlicher Kredite fruchtlos. Dieser Erfolg erhöhte das Prestige der KPJ und ihres unangefochtenen Vorsitzenden Tito weltweit.
 
Die vorsichtige Annäherung zwischen Jugoslawien und der UdSSR nach dem Tod Stalins erhielt durch den Besuch des neuen Ersten Sekretärs des ZK Chruschtschow und Ministerpräsident Bulganins im Mai/Juni 1955 in Belgrad und die Auflösung des Kominform im April 1956 Auftrieb; man versuchte zudem den Konflikt trotz weiterbestehender ideologischer Differenzen Anfang August 1957 während einer Geheimkonferenz beizulegen, obwohl die sowjetische Intervention in Ungarn im Oktober 1956 zu neuen Spannungen geführt hatte. Der eigenständige jugoslawische Weg zum Sozialismus wurde von den Sowjets anerkannt.

Universal-Lexikon. 2012.

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